Franz-Senn-Hütte: Verlässlicher Hochtourenstützpunkt in den Stubaier Alpen

In der Freitagnacht am 22.7.2022 ist bei einem verheerenden Unwetter im Tiroler Stubaital eine Mure unweit der Franz-Senn-Hütte abgegangen. Die Straße ins Oberbergtal war nicht mehr benutzbar, der extrem beliebte Klettersteig im Höllenrachen wurde zerstört, Brücken im Tourengebiet weggerissen, dazu das hauseigene Kraftwerk versandet. Wir sprachen vor Ort mit Thomas Fankhauser, langjähriger Wirt der Franz-Senn-Hütte über die Ereignisse und über den Hüttenbetrieb.

HMA e.V.: Das Unwetter hier in Neustift weckt Erinnerungen an die Flutkatastrophe im Juli 2021 im Ahrtal. Die Infrastruktur der Hütte wurde hart getroffen. Warum haben Sie die Berghütte nicht zugesperrt?

Fankhauser: Wir haben eine einigermaßen stabile Lage herstellen können. Die Situation ist aber noch vulnerabel. Zusperren war aber nicht wirklich eine Option. Zu viele Wanderer und Bergsteiger verlassen sich darauf im Ernstfall in der Hütte Schutz und Unterkunft zu finden.

HMA e.V.: So schnell wie Wege und Technik aufgebaut wurden, so flott, konsequent und durchgetaktet läuft der Betrieb in der Hütte. Wie wichtig ist dabei Teamarbeit?

Fankhauser: Teamarbeit ist auf einer Hütte das A und O. Man lebt auf recht engen Raum über mehrere Wochen miteinander. Irgendwie vergleichbar mit der Arbeit auf einem Schiff.

HMA e.V.: Von welchen Erfahrungen berichten Ihre nepalesischen Mitarbeiter in ihrem Heimatland?

Fankhauser: Sie erleben und lernen viel und versuchen das auch zu Hause irgendwie umzusetzen. Aber sie haben bescheidene Mittel – auch wenn ein „Saisonslohn“ in Nepal ein kleines Vermögen ist.

HMA e.V.: Österreich hat mit knapp 55.000 Quadratkilometern den größten Anteil an den Alpen. Platz genug für fantastische, wundersame und gruselige Sagen und Legenden. In Tirol sollen die „Nörgelen“ die Wander erschrecken. Will man der Überlieferung glauben, sollen diese dickbäuchigen, bärtigen Männlein sich immer neue Neckereien ausdenken. Welche Geschichte der bald 140jährigen alten Franz-Senn-Hütte haben Sie sich schon ausgedacht?

Fankhauser: Tirol ist ein sehr gebirgiges Land und in jeden Graben haben sich mystische Gestalten und Sagen entwickelt. Die Franz-Senn-Hütte ist ein alpiner Stützpunkt und es wird von uns erwartet, dass wir objektive und sachlich fundierte Auskünfte geben. Da geht es um Erfolg oder Misserfolg von alpinen Unternehmungen. Besonders geht es da aber um die Sicherheit unserer Gäste. Da bleibt nicht viel Raum für Neckereinen und ausgedachte Geschichten. Auch wenn’s manchmal reizt.

HMA e.V.: Welche Bedeutung hat für Sie das Bergwandern?

Fankhauser: Für uns auf der Franz-Senn-Hütte sind Bergwanderer ein Teil unseres Gästespektrums und natürlich dementsprechend wichtig. Wir beherbergen aber auch Hochtourengeher, Ausbildungskurse, Kletterer und im Winter Skitourenbergsteiger. Natürlich betreiben wir auch gerne die angesprochenen Spielformen des Bergsteigens – sofern es die Zeit erlaubt.

HMA e.V.: Könnte die Franz-Senn-Hütte sprechen, hätte sie sicherlich viel zu erzählen. Welches war für Sie die lustige, welche die traurigste Story?

Fankhauser: Ja, es gibt viele skurrile Geschichten. Aber jede von ihnen hat einen ernsten (oder ernst gemeinten) Hintergrund bzw. Absicht. Auch wenn es noch so lustig ist, war jemand schlussendlich nur unwissend, naiv oder gedankenlos. Wenn man alles aufgeschrieben hätte, dann wäre ein lustiges Buch herausgekommen. Wir haben’s nicht getan. Traurige Geschichten sind das was sie sind: traurig und tragisch. Wir erzählen sowas nicht weiter.

HMA e.V.: In Köln zählt bereits die erste Veranstaltung zur rheinischen Tradition, die fest im kölschen Grundgesetz verankert ist. So z.B. der „Klüngel: Man kennt sich, man hilft sich“ oder „Kölsch ist die einzige Sprache, die man trinken kann“, heißt es. Die Familien Hofer und Fankhauser sorgen seit Generationen für beste Hüttenwirt-Tradition. Welche Parallelen sehen Sie zum Rheinland?

Fankhauser: Da muss ich passen. Für das kenne ich das Rheinland zu wenig. Natürlich sind Rheinländer bei uns aber gern gesehene Gäste.

HMA e.V.: Die Franz-Senn-Hütte liegt im sog. „Ruhegebiet Stubaier Alpen“. Aber so richtig still wird es erst nach 22 Uhr, wenn Hüttenruhe angeordnet ist. Hält sich jeder Gast daran oder gab es schon mal Hüttenverbote?

Fankhauser: Wie gesagt, die Franz-Senn-Hütte ist ein alpiner Stützpunkt. Da wollen die allermeisten Gäste am nächsten Tag leistungsfähig sein und was unternehmen. Wir haben kaum Probleme mit der Einhaltung der Hüttenruhe. Bevor jemand ausfällig werden kann, schließen wir bereits die Bar.

HMA e.V.: Die Nepalhilfe Tirol ist eng mit dem Namen Wolfgang Nairz verbunden, die leider an der Finanzierung scheiterte. Wo steht das Hilfsprogramm heute?

Fankhauser: Die Nepalhilfe Tirol ist ein aktiver Verein, der auf Spenden angewiesen ist. Momentan finden sich auf der Website 5 aktuelle Projekte. Jeder ist eingeladen zu helfen. Wolfgang Nairz kennen wir sehr gut. Er engagiert sich enorm für die Belange der nepalesischen Bergbevölkerung.

HMA e.V.: Wieso wird die Franz-Senn-Hütte auch als „alte Dame“ bezeichnet?

Fankhauser: Der aktuelle Hüttenwart der Franz-Senn-Hütte hat diese in seinem Buch als alte Dame bezeichnet. Alle Alpenvereinshütten sind viele Jahrzehnte bzw. über 100 Jahre alt und haben in den Jahren einen eigenen Charakter entwickelt. Daher vielleicht.

HMA e.V.: Die Franz-Senn-Hütte blickt auf eine 124jährige Baugeschichte zurück. Einmal abgesehen von den Themen „Energieeffizienz“ und „Logistik“, welche Baugeschichte können Sie unserer Redaktion erzählen?

Fankhauser: In den letzten zwei Jahren haben wir die alten und engen Matratzenlager im Dachgeschoß saniert. Generell geht der Trend auch auf den Hütten zu etwas mehr Komfort.

HMA e.V.: Wo sehen Sie sich und Familie in den nächsten 10 Jahren?

Fankhauser: Die Zeiten sind momentan sehr dynamisch. Keiner weiß was im Herbst kommt – geschweige denn nächstes Jahr. Ich hoffe, es kommt zu keinen gröberen Verwerfungen und wir bleiben alle gesund. Das reicht mir momentan.

HMA e.V.: Nein, wir fragen zum Schluss nicht nach Corona. Deshalb möchten wir dieses Interview gerne mit einem Dialog aus der Buchverfilmung Timm Thaler (1979) beenden.

Timm Thaler (gespielt von Thomas Ohrner), der bekanntlich sein auffallend fröhliches Lachen an den Baron de Lefouet, reichster und mächtigster Mann der Welt (gespielt von Horst Frank) verkaufte, wird vom Baron für einen geschäftlichen Anlass unterwiesen:

Baron: Ich will Dir einige wichtige Mitarbeiter Deines Imperiums vorstellen (…) Drei Fragen sind es, die Du wissen musst und drei Antworten. Die Fragen: Geht es Ihnen gut? Sind Sie gesund? Was macht das Geschäft? Nun die Antworten: Tadellos. Es könnte besser sein. Danke. Einfach Danke! Man kann diese Sätze beliebig austauschen und man erreicht das, was man erreichen will. Nichts!

HMA e.V.: Herr Fankhauser, geht es Ihnen gut?

Fankhauser: Danke.